Montag, Oktober 08, 2007

Ringbahnparty statt Disko in der U-Bahn

von Roland Ionas Bialke

Vorgestern, am 6. Oktober 2007, fand in Berlin die traditionelle Ringbahnparty statt. Etwa 70 Personen wollten in der S-Bahn feiernd die Stadt umrunden. Die Party endete jedoch in einer Farce, als etwa 50 der Partyteilnehmerinnen durch die Bundespolizei gekesselt wurden.
Gegen 18 Uhr waren auf dem Alexanderplatz etwa 70 Menschen in bester Partystimmung. Doch es sollte noch nicht losgehen, denn es fehlten die Getränke. Eine Stunde später ging es dann los. Der Mob setzte sich gemeinsam in Bewegung um vom Alexanderplatz zum Ostkreuz, also zur Ringbahn, zu fahren. Leider gab es dabei Koordinationsschwierigkeiten, sodass sich die TeilnehmerInnen später noch einmal am Ostkreuz zusammenfinden mussten.

Am Ostkreuz wurden nun die beiden Musikanlagen in Betrieb genommen. Die abgespielte Punkmusik wurde durch gemeinschaftliches Mitsingen beziehungsweise Gegröle übertönt. Schon gesellten sich zwei Security-Milizen der Deutschen Bahn zu den TeilnehmerInnen. Die Stimmung sank dadurch jedoch nicht. Gegen 19 Uhr 20 wurde die erste Ringbahn mit Fahrtrichtung entgegen den Uhrzeigersinn bestiegen und in dieser (un-)ordentlich gefeiert. Es wurde Musik gehört, geraucht, viel getrunken und gelacht. Als die DB-Milizen in der S-Bahn gegen das Rauchen und Trinken verbal einschritten und die ersten TeilnehmerInnen austreten wollten wurde eine Pause auf dem S-Bahnhof Prenzlauer Allee eingelegt. Dann ging es weiter.

Am S-Bahnhof Gesundbrunnen, aber auch schon vorher, konnten sich die TeilnehmerInnen nicht einigen ob ausgestiegen oder weitergefahren werden sollte. Dadurch wurde der S-Bahn-Verkehr ein bisschen aufgehalten. Die DB-Milizen nervten nun etwas mehr. Darum, und auch so, wurde nun mehrfach die Notbremse gezogen. Der Bahnhof wurde nebenbei zur öffentlichen Töilette umfunktioniert. Nun gab es für einige TeilnehmerInnen Bierduschen. Dabei flogen dann einige Flaschen. Es wurde gegen einen Fahrkartenautomat getreten. Den spionierenden DB-Milizen wurde zugleich deutlich gemacht, dass sie auf dem Bahnhof nicht mehr willkommen wären. Nachdem die Stimmung immer aggressiver wurde, enschieden sich die DB-Milizen zur schnellen Flucht. Da nun die Polizei erwartet wurde, verließen die Party-TeilnehmerInnen nun den Bahnhof, eventuell um woanders (U8?) weiter zu feiern. Dabei wurde versucht eine Überwachungskamera zu zerstören.

Gegen 20 Uhr trafen nun die ersten BundespolizistInnen ein. Erst zu viert und spärlich ausgerüstet kamen plötzlich etwa 40 martialisch gepanzerte und bewaffnete PolizistInnen und kesselten die verplanten Party-TerroristInnen ein.

Zwei PolizistInnen filmten von aussen einzelne und friedliche Party-TeilnehmerInnen ab. Auf Nachfrage weswegen diese Menschen festgehalten wurden und warum Sie illegalerweise abgefilmt wurden gab es keine oder nur unzureichende Antwort. Mehrere gekesselte PartygängerInnen wollten sich nicht Ihr Recht auf Ihr eigenes Bild und Ihre Bewegungsfreiheit nehmen lassen und taten das lautstark kund. Dabei gab es zwei brutale Festnahmen. Die Bundespolizei ging immer wieder in den Kessel um die Menschen drinnen einzuschüchtern oder herauszuziehen.

Der Grund der Maßnahme wurde den Party-Teilnehmerinnen immernoch nicht genannt. Allerdings wurde nun angekündigt, dass alle gekesselten Menschen erkennungsdienstlich behandelt werden. Und so geschah es dann auch. Vorher wurde jedoch ein mal mit Pfefferspray in den Kessel gesprüht, als ein Mensch wohl zu nah an einem Polizeiauto stand. Dadurch mussten ziemlich viele husten. Gegen 23 Uhr wurde erneut durch die Polizei in den Kessel gestürmt und ein Punker festgenommen. Dabei wurde er geschlagen und beim Abtransport Mund und Nase zugehalten.

Die ED-Behandlung stellte sich dann als eine Ausweiskontrolle mit anschliessender Fotosession heraus. Die meisten TeilnehmerInnen, da recht unerfahren, halfen beim Fotografieren mit. Es gab eine Fragestunde bei der einige TeilnehmerInnen wohl zuviel redeten. Danach wurde ein Platzverweis gegen die ED-bahandelten Menschen ausgesprochen. Speicherkarten von Digitalkameras wurden beschlagnahmt.

Auf Nachfrage wurde mir nun der Grund der Maßnahme genannt - Verstoss gegen das Versammlungsgesetz. Dazu muss unbedingt angemerkt werden, dass alle nur S-Bahn gefahren sind! Andere bekamen zuerst als Grund Sachbeschädigung zu hören. (Einige hatten dann wohl mit der Polizei über die Ringbahnparty geredet und so wure dann ein anderer Grund genannt.) Zudem wurde als Grund für die Verweisung § 38 BPolG genannt. Gegen 0 Uhr 30 waren alle Partey-Teilnehmerinnen, außer die 3 Festgenommenen, wieder frei.

Hintergrund

Was ist die Ringbahnparty? Die Ringbahnparty ist eine Variante der S-Bahnparty bei der eine S-Bahn durch eine grosse Anzahl von feierwütigen Menschen gekapert wird. Dann wird in der S-Bahn mit Musik, Getränken und allem anderen drum und dran gefeiert. Die Besonderheit in Berlin ist, dass es dort einen S-Bahn-Ring gibt. Das heisst, die PartyteilnehmerInnen können in eine Bahn steigen und Berlin feiernd komplett umrunden.

Was sind die Ziele der Ringbahn-Party? Das erste Ziel ist es viel Spaß zu haben und das zweite Ziel ist es Berlin komplett zu umrunden. Und das ist schwieriger als wie es klingt.

Gibt es eine politische Aussage? Ja, die TeilnehmerInnen bringen ganz klar eine politische Haltung zum Ausdruck. Die Vertreibungspolitik am Berliner Alexanderplatz und anderswo lässt Jugendliche keinen Raum zum selbstgestalteten Feiern. Durch Polizei und kapitalistische Milizen sollen geldarme und alternative Menschen von den Konsumtempeln und Luxusvillen ferngehalten werden. Die Störung des Berufsverkehrs und der gemeinen Ordnung des Bürgertums durch die TeilnehmerInnen soll aufzeigen, dass es noch andere Lebensweisen gibt und diese sich nicht unterdrücken lassen. Das Zerstören von Fahrkartenautomaten soll verdeutlichen, dass die TeilnehmerInnen für Bahnfahrten nicht bezahlen wollen. Geldarme Menschen können sich die teuren Bahnpreise schon lange nicht mehr leisten. Das Bekleben oder Zerstören von Überwachungskameras soll eine direkte Aktion gegen den Überwachungswahn darstellen. Zudem gibt es kaum noch kostenlose Toilletten im öffentlichen Raum. Darum wird bei jeder Ringbahnpartey konsequent die S-Bahn oder der Bahnhof zur Toilette umfunktioniert.




Aktionsgruppe Alexanderplatz

http://rts.squat.net/
http://de.indymedia.org/2004/09/94753.shtml
http://de.indymedia.org/2005/05/114134.shtml
http://de.indymedia.org/2006/02/139346.shtml
http://de.indymedia.org/2006/10/159121.shtml

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Es ist wirklich kein Wunder, dass viel junge Leute so durchdrehen, wenn se sehen was sich die Polizei alles erlauben darf. Staatsgewalt haben se und das wissen se gerad bei den jungen Leuten gut zu nutzen und denn ist es klar.Wenn die Jugendlichen sehen wie jemand festgenommen wird, wie mit dem umgegangen wird, da wird man nunmal aggresiv, weil gleich 4/5 Polizisten auf einen Jugendliche gehen. Und in solch einer Situation ist der zusammenhalt so, wie se es sonst immer alle wollen. Und wenn man denn sowas liest wie Nase und Mund wurde zugehalten, Halloooo Merkste wat...!?! wenn die Jungendlichen das bei jemanden machen, gibst gleich ne Anzeige wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung bla bla bla etc. Man kann nicht alle über einen Tisch ziehen. Es gibt auch Ausnahmen, aber es sind nicht mehr so extrem viele wie es mal war. "so wie du mir, so ich dir!"