Montag, August 20, 2007

Hunde raus aus dem Mauerpark

Für voraussichtlich drei Tage muss ab Dienstag der Hundeauslaufplatz im Mauerpark in Prenzlauer Berg gesperrt werden. Laut Pankows Vize-Bürgermeisterin Christine Keil (Linke) sind Sicherungsmaßnahmen am Hang erforderlich.

Kolle Bolle, gelbe Ungeheuer und Townhäuser

Die letzten Bauflächen in den sogenannten In-Vierteln verschwinden: Der Bauboom in Prenzlauer Berg lässt teure Eigentumswohnungen auf einstigen Brachen entstehen. Die Nachfrage ist riesengroß.

Rainer Bahr hat damit gerechnet, dass die freche Berliner Schnauze die französische Aussprache nicht widerstandslos hinnimmt. „Ur-Berliner“, die an der Kollwitzstraße vorbeikommen und den Namen auf dem Bauzaun lesen, sagen Kolle Belle, mit „e“ wie Bolle. Oder Kolle wie Kollwitzplatz. Wichtiger als die richtige Aussprache ist dem Geschäftsführer der Bauherrin Econ-Cept, dass dieser Tage damit begonnen wird, eine der letzten großen Lücken im Häusermeer von Prenzlauer Berg zu schließen – und dass von 77 Wohnungen, von denen bislang noch kein einziger Stein gebaut ist, nur zwei noch nicht verkauft sind. Der Stadtteil ist gefragt, und die Baulücken in den Straßen werden immer weniger.

Das Palais Kolle Belle ist derzeit das eindrucksvollste Beispiel, wie große Brachen verschwinden. Wo jahrzehntelang Pfade durch Wildwuchs führten, Anwohner ihre Hunde ausführten und so mancher Obdachlose die Nacht verbrachte, soll jetzt „einer der schönsten Plätze Berlins“ entstehen. Mit Pariser Flair, Stuckfassaden, hohen Räumen, 60 bis 225 Quadratmeter groß. Vier Zimmer ab 309 000 Euro, steht auf dem Bauschild, die Vermarktung begann im letzten Februar, Ende nächsten Jahres sollen alle exklusiven Eigentumswohnungen fertig sein. Für Marc Kocher, der die Häuser entwarf, ist Berlin die einzige Stadt, in der er Paris nicht vermisst. Doch ein Stück Paris will er hier schaffen.

Gerade hier – in Sichtweite des Senefelderplatzes – ein anspruchsvolles Wohnprojekt: Das wäre vor zwei, drei Jahren noch schwer vorstellbar gewesen. Der Platz aber hat sich in den letzten Wochen, in denen viele Gerüste gefallen sind, am augenfälligsten verändert. Hier wurde die große Freifläche zwischen Schönhauser Allee und Kollwitzstraße mit dem Wohn- und Geschäftshaus Kollwitzspitze bebaut. Ein Biomarkt, der sich als Europas größter bezeichnet, bringt Leben an den Platz, ein Hostel, das schon mit dem Plakat „Miteinander schlafen“ wirbt, wird bald eröffnet, Cafés stellen Tische und Stühle heraus, auch die Kollwitzstraße hat eine Fassung erhalten, die gelbe Fassade wirkt fast mediterran, einige Bewohner stellen sich Palmen auf die Balkons. Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken (Linke) hätte sich indes an dieser exponierten Stelle eine „architektonisch bessere Lösung“ vorstellen können, der Neubau sei ein „gelbes Ungeheuer“. Genehmigt hat’s sein Vorgänger.

Bis auf das (modernisierte) Café Achteck, das grüne Pissoir, erinnert nichts mehr an den alten Senefelderplatz, mit der verwilderten Brachfläche vor dunklen Brandmauern, die nach der Wende mit Hausbesetzerparolen beschmiert waren. Nun sind sie hinter hochgezogenen Neubaufassaden verschwunden. In Sichtweite wird gerade eine weitere Baulücke an der Kollwitzstraße 22 geschlossen, hier entstehen „familienfreundliche Wohnhäuser“, sieben Stockwerke hoch.

Am Kollwitzplatz wird für das Projekt „Puccini Hofgärten“ geworben, das gar nicht dort gebaut wird, sondern in Weißensee. Aber der Hinweis, dass es von dort nur zwei Kilometer zum Kollwitzplatz sind, soll helfen, die 80 Wohnungen, für die gerade Baubeginn war, zu vermarkten. Und noch eine Entfernungsangabe soll den Verkauf ankurbeln: „Nur hundert Meter von Prenzlauer Berg.“

Mitten im Kiez liegt die Marienburger Straße mit einer großen Grünfläche. Vor eine fast 70 Meter lange Brandwand hat die Baugemeinschaft um das Architektenbüro Arnold und Gladisch einen Neubau mit 23 Eigentumswohnungen gesetzt. Noch wird gebaut. „Wohnen an der Marie“ heißt das Projekt. Die meisten, die hier einziehen, kommen aus der Gegend, der Bau war preisgünstig, Familien ließen sich schnell als Bauherren finden. „Alle Wohnungen sind vergeben“, steht auf dem Bauschild. Ein ähnliches Projekt wollen die Initiatoren jetzt an der Scharnweberstraße in Friedrichshain starten. „Prenzlauer Berg ist aber abgegrast“, sagt Anja Hoffmann vom Architektenbüro.

An der Lychener Straße 43 gibt es ein besonders auffälliges Beispiel einer kleinen Lückenschließung. Wo einst ein Pferdestall stand, haben die Architekten Walter Nägeli und Sascha Zander ein Haus mit Büro und 13 Wohnungen errichtet. Im Glas spiegeln sich die Gründerzeitbauten des Helmholtzplatzes. Ein paar Meter weiter werden in einer Lücke an der Lychener Straße 13 Eigentumswohnungen errichtet, bis 200 Quadratmeter groß.

Wo in Höhe Am Friedrichshain die Schneider-Brauerei stand, geht der Bau von 60 Townhouses und 49 Eigentumswohnungen in die letzte Runde. Die „Prenzlauer Gärten“ nach britischem Vorbild sind das größte Bauvorhaben in Prenzlauer Berg. Um dort französisches Lebensgefühl zu genießen, haben sich fast nur Neu-Berliner eingekauft, 40 Prozent aus dem europäischen Ausland. Vielleicht bürgert sich „Koll Bell“ noch ein.

Das schreibt Christian van Lessen heute im Tagesspiegel.

Sonntag, August 19, 2007

P-Berg ist wie Brooklyn in den Achtzigern

Die Miete im Prenzlauer Berg betrage gerade mal ein Viertel des Preises für Apartments in New York. Auch die Lebensmittel und das Ausgehen sind billiger. "Berlin ist ein bisschen wie New York in den Achtzigern, bevor die Gentrifizierung in den Künstlervierteln zugeschlagen hat." Das berichtet die amerikanische Modedesignerin und Neuberlinerin Western Bonime in der TAZ von gestern. Für sie vereine Berlin "Das Vielfältige und Dynamische von New York und die lockere Gemächlichkeit Kaliforniens." Auch ne Meinung.

Kein Platz für Erstklässler im P-Berg

Zwar gehr die Zahl der Kinder, die in die Schule kommen, in Berlin zurück (von 28.300 auf 25.000), doch in Prenzlauer Berg quellen die Grundschulen bereits aus allen Näthen. Die Schulanfängerinnen müssen nun weite Schulwege in Kauf nehmen, berichtet der rbb.

P-Berg ganz vorn bei den In-Vierteln

„In-Viertel“ sind Gegenden, die vom Ruf leben, gefragt zu sein, eine besondere Atmosphäre zu vermitteln. Aber eigentlich ist es ein gefühlter, erin hohler Begriff. Der Überzeugung ist auch der Stadt- und Regionalsoziologe Hartmut Häußermann von der Humboldt-Uni im gestrigen Tagesspiegel. Häußermann meint in dem Artikel, dass sich ein In- Viertel aus einem zunächst vernachlässigten Gebiet mit Leerstand entwickelt. Es wird von Künstlern entdeckt, die hier billig leben und arbeiten können. Es wird zum Bohème-Viertel, wird kulturell attraktiv, auch „schräg“, es zieht Infrastruktur wie Galerien, Lokale und Clubs mit sich, wird interessant. Auf die maroden Altbauten wird die Immobilienwirtschaft aufmerksam, sie saniert die Gebäude, wertet sie auf, und irgendwann verschwindet die Szene vielleicht auch wieder, weil sie hohe Mieten nicht mehr zahlen kann. In kann schnell out werden.

Barbara Schönig vom Institut für Soziologie an der TU verweist im gleichen Artikel auf Berlin Mitte hin. Den Künstlern, die sich irgendwann die Lage nicht mehr leisten können, würden sogenannte „Urbaniten“, junge, alleinstehende Leute mit Geld folgen. spricht von Gentrifizierung heißt das Zauberwort: Umstrukturierung eines Stadtteils. „Pioniere“ werten ihn auf, machen ihn teuer, alteingesessene Bewohner fühlen sich vertrieben, ziehen weg. In Prenzlauer Berg seien es vor allem studentische Pioniere gewesen, die mit Clubs, Szeneläden und Lokalen im Gefolge Leben auf die Straße gebracht hätten.

Gerade hier gebe es einen starken Verdrängungsprozess, sagt Barbara Schönig, „extrem hochpreisige“ neue Häuser. Das Bötzowviertel sei inzwischen ein Wohn-In-Viertel. Sie vermutet, dass der Kern des In-Viertels aus Prenzlauer Berg weiterzieht, Richtung Friedrichshain.

Kreuzberg, das in den siebziger- und achtziger Jahren von Leerstand und Hausbesetzungen geprägt war, werde ihrer Ansicht nach von Barbara Schönig als In-Viertel nicht mehr so stark wahrgenommen. Die Mieten gelten als relativ teuer, am Landwehrkanal gebe es jedoch noch „Wohn-In-Viertel“.

Hoffentlich kommen beide Forscher jetzt nicht auch noch wie Dr. Andrej Holm. ins Gefängnis, nur weil sie sich mit der Umstrukturierung des Raumes beschäftigt haben.

Montag, August 13, 2007

Niemand kennt die Agnes-Wabitz-Straße

Unbekannte zündeten in der Agnes-Wabitz-Straße, auf dem Gelände des alten Schlachthofes Storkower Str. in Prenzlauer Berg einen Geländewagen der Marke Hummer und einen Porsche an. Beide brannten aus. Ein daneben geparkter Renault und ein Skoda wurden durch die Hitze stark beschädigt. Die Polizei geht von einer politischen Motiviation aus.

Studi-Filme in P-Berg-Kneipen

"In Kneipen in Prenzlauer Berg und Mitte zeigen junge Filmstudenten regelmäßig ihre selbstgedrehten Streifen. Das sind oft Zombie- oder Vampirfilme mit viel Kunstblut. Oder Simulationen von Drogenerlebnissen mit grellen Farben und krachiger Musik", meint Sebastian Leber heute im Tagesspiegel.

Die armen Briten

Sechs Tourie-Teenies aus Großbritannien haben sich am Samstagmorgen im P-Berg beim Taggen an Hauswände busten lassen. Zwei Cans beschlagnahmt, Farbe an den Fingern und Stress mit dem Betreuer. Nicht gut! Springers Morgenpost hat den jungen Touristen einen kleinen Artikel gewidmet.

Donnerstag, August 09, 2007

Mehr Kinder - Kindermeer, 6479 Neugeborene im ersten Quartal

Der Baby-Boom geht weiter. In Berlin wurden im ersten Quartal 2007 knapp fünf Prozent mehr Kinder geboren als im selben Zeitraum des Vorjahrs. Bundesweit stieg die Geburtenzahl nur um 0,4 Prozent.

Bald gibt es mehr Neugeborene als Eingeborene. Im ersten Quartal 2007 kamen in der Stadt 6479 Kinder zur Welt, 310 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dies berichtet die Berliner Morgenpost von heute. Anfang des Jahrtausends hatten demnach noch rund zehn Prozent weniger Kinder in Berlin das Licht der Welt erblickt. Fast jedes zweite der Neugeborenen hat heute Eltern ohne Trauschein.

In den Innenstadtbezirken werden die meisten Kinderwägen geschoben. In Mitte, Prenzlauer Berg (Pankow) und Friedrichshain(-Kreuzberg) liegt der Anteil der Neugeborenen je 1000 Einwohner deutlich über dem Berliner Durchschnitt. Allein Friedrichshain-Kreuzberg verzeichnet im ersten Quartal 2007 einhundert Geburten mehr als im Vorjahreszeitraum, Pankow 79. Mehr als die Hälfte des Zuwachses kommt aus diesen beiden Bezirken.

Interessant wird diese Entwicklung in fünfzehn Jahren. Werden die jetzigen Neugeborenen aus Protesthaltung gegenüber ihren Eltern neue Subkulturen beleben? Werden vagabundierende Jugendgangs mit Hightechspielzeugwaffen die Berliner Innenstadt unsicher machen und die alten miefigen Bio-Supermärkte in Brand stecken?

Freiheit statt Angst


Bürgerrechtler rufen bundesweit zur Teilnahme an einer Demonstration gegen die ausufernde Überwachung durch Wirtschaft und Staat auf. Am Samstag, den 22. September 2007 werden besorgte Bürgerinnen und Bürger in Berlin unter dem Motto "Freiheit statt Angst - Stoppt den Überwachungswahn!" auf die Straße gehen. Treffpunkt ist der Pariser Platz (Brandenburger Tor) um 14.30 Uhr.

Freitag, August 03, 2007

Inszenierung als Alpha-Männchen-Rapper

"Rapper brechen keine Tabus, sondern bedienen vielmehr eine rassistische Wahrnehmung, in der schon im Voraus festgelegt ist, wie der "Neger" oder der "Kanake" zu sein hat.", meint Murat Güngör in der taz von heute. Um als Gangsta-Rapper sichtbar zu werden, müsse man Stereotype wie "kriminelle Vergangenheit", "Omnipotenz" und "Gewalt" aufrufen. Diese ästhetischen Codes seien aber häufig rassistisch und sexistisch gefärbt, meint der taz-Autor.

Der Erfolg von Gangsta-Rappern würde zudem mit einer Verschärfung des Jugendstrafvollzugs einhergehen. Auf der einen Seite werde das Drogendealer-Dasein von der Unterhaltungsindustrie ästhetisch glorifiziert. Andererseits verschärfe der Staat die Kontrolle über klandestine Jugendgruppen.
Dabei trügen die rückständigen Bilder, die vom vermeintlichen Ghetto reproduziert werden, nur dazu bei, die wahren sozialen Probleme in vielen Einwanderervierteln zu verdecken: von Arbeitslosigkeit, fehlenden Bildungschancen, Ausgrenzung von Frauen und Schwulen, repressiven Ausländergesetzen bis zu den schwierigen ökonomischen Bedingungen, unter denen viele Familien leiden müssen, so Güngör weiter. Den ganzen Artikel kann man hier nachlesen.

Donnerstag, August 02, 2007

Sowas filmt man nicht

In Russland kommt man schnell mal in Spionageverdacht. Besonders wenn man - wie der ukrainische Journalist Grigori Pasko - die russische Pazifikflotte beim Verklappen atomarer Abfälle im Japanischen Meer filmt. Dafür saß der Schreiberling erstmal 21 Monate in Untersuchungshaft und nach seiner Verurteilung vier Jahre im Straflager.
Sein Tagebuch half ihm, dem Wahnsinn standzuhalten. Jetzt hat er es im Göttinger Wallstein-Verlag veröffentlicht.

Grigori Pasko wurde 1962 in der Ukraine geboren. Er war als russischer Marineoffizier und Militärjournalist tätig. Im Jahr 2002 erhielt er den Menschenrechtspreis der Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Sein Fall soll bald vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt werden.

PASKO, GRIGORI: Die rote Zone. Ein Gefängnistagebuch. Aus dem Russischen von Hannelore Umbreit. Wallstein Verlag, Göttingen 2006. 364 S., 24,90 Euro.