Dienstag, April 29, 2008

Ich kenne keinen Ludwig Trepte, aber er spazierte neulich durchs Bötzowviertel, mit der Welt

Er ist erst 19 Jahre alt und schon Grimme-Preisträger und Gewinner der Goldenen Kamera als bester Nachwuchsschauspieler. Unterwegs mit Ludwig Trepte in Prenzlauer Berg. In seinem Viertel, das für ihn das Mystische verloren hat

Ludwig Trepte überlegt lange, bevor er eine Antwort gibt. Er ringt mit sich. Nicht, dass er nicht weiß, was er sagen soll, nein, er sucht nach den Worten, die am treffendsten beschreiben, was er denkt. Und Ludwig Trepte denkt viel, er macht sich Gedanken über Waisenkinder in Peru, über die Figuren, die er als Schauspieler verkörpern soll sowieso, über Talent, Besitz, Verlust. Während andere 19-Jährige vielleicht versuchen, bei möglichst vielen Mädchen zu landen, sagt Ludwig Trepte Dinge wie "Liebe ist unausweichlich". Er meint das ernst.

Treffpunkt ist die Hufelandstraße in Prenzlauer Berg. Der Bötzowkiez, bei starkem Wind heute und Sonnenschein. Ludwig Trepte ist hier aufgewachsen.

Ludwig Trepte - vielleicht kennt nicht jeder seinen Namen, aber dieses Gesicht, ausdrucksstark, mit ernsten, braunen Augen, interessiert, erwachsen, trotzdem neugierig, verschmitzt, das kennt man. Von der Kinoleinwand, aus dem Fernsehen, dem Tatort "Schatten der Angst" zum Beispiel, der im türkischstämmigen Milieu in Ludwigshafen spielte und dessen Ausstrahlung wegen der Brandkatastrophe in einem Ludwigshafener Wohnhaus, bei dem neun Türken ums Leben kamen, um acht Wochen auf Anfang April verschoben wurde. Ludwig Trepte, 1,69 Meter groß, braune Locken bis über die Ohren, Lederjacke, Jeans. Eine Zigarette rauchend steht er da, zehn Minuten vor der verabredeten Zeit.

Seine Eltern, die Mutter eine Ergotherapeutin, der Vater, Stefan Trepte, ein bekannter Musiker in der DDR-Rockszene, hatten eine Wohnung nicht weit vom Treffpunkt, in der Pasteurstraße, einer Parallelstraße der Hufelandstraße. Bis sich die Eltern trennten, das war, als Ludwig Trepte fünf Jahre alt war, lebten sie hier zu dritt zusammen, danach weiter zu zweit.

Er kennt jede Ecke zwischen Volkspark Friedrichshain und Greifswalder Straße. Bilder kommen in ihm hoch, als wir in die Esmarchstraße einbiegen, Kindheitserinnerungen. Hier ist seine Grundschule, hier wohnten seine Freunde, hier war sein Kiez. Das Straßenbild habe sich stark verändert, sagt Ludwig Trepte.

An den Mauerfall kann er sich natürlich nicht erinnern, er war zu jung, aber an die alten Häuser, die schmutzig grauen und die braunen bröckelnden Fassaden im Oststadtteil Prenzlauer Berg. Jetzt: überall Baustellen, Gerüste. Die meisten Häuser strahlen in frischen Pastellfarben, unsanierter Baubestand ist kaum noch zu sehen. Ludwig Trepte bedauert das. "Das Rustikale, das Mystische verschwindet", sagt er. Er mochte das, rustikal und mystisch. Scheinbare Gegensätze, aber nur auf den ersten Blick. Straßenzüge, die etwas erzählen. Ein altes Haus mit unsanierter Fassade fällt ihm ein, das Foto will er unbedingt vor eben diesem Haus machen.

An der Ecke Esmarch-/Liselotte-Herrmann-Straße bleiben wir stehen. Das "Esmarch-Eck" hat noch geschlossen, es ist früher Vormittag. Draußen wirbt eine Tafel mit der "Lady's Night, jeden Donnerstag!". "Hat was von einer Stampe", sagt Ludwig Trepte und zündet sich eine weitere Zigarette an. Stampe, damit meint er so etwas wie Spelunke, eine urige Eckkneipe mit vielen Stammgästen und kaum Laufkundschaft. "So eine Bar, in der ein Detlef und ein Harald am Tresen sitzen, Abend für Abend."

Er meint sich zu erinnern, dass "Der Rote Kakadu" hier gedreht wurde, ein DDR-Liebesdrama mit Jessica Schwarz, Max Riemelt und Ronald Zehrfeld in Hauptrollen. Ludwig Trepte war damals, 2004, nicht dabei. "Leider", sagt er.

Er hätte dabei sein können, er wusste schon früh, dass er es ernst meint, mit der Schauspielerei. Im Alter von zwölf Jahren spielte Ludwig Trepte im "Tatort" mit, "Bienzle und der heimliche Zeuge". Um ungehindert drehen zu dürfen, verließ er das Gymnasium, mit 16 machte er seinen Realschulabschluss und ließ die Schule bleiben. Seither hat er jedes Jahr mehrere Filme gedreht, insgesamt sind es jetzt 20. Am kommenden Mittwoch startet sein neuester Film "1. Mai - Helden bei der Arbeit" in den Kinos. Er nimmt privaten Schauspielunterricht, er sagt: "Ich halte nichts von Naturtalent."

Den Beruf ernst nehmen, das bedeutet für Ludwig Trepte: Mit seiner Lehrerin Sigrid Andersson Drehbücher durchgehen, Szenen proben, die Rolle kennenlernen, unermüdlich ist er da. "Zuerst liest man das Drehbuch, liest das Drehbuch, liest das Drehbuch - immer und immer wieder." Um ein Gefühl für die Figur zu bekommen, die er spielen soll, zu verstehen, wie sie tickt. "Das Drehbuch ist das Skelett, man selbst gestaltet das Fleisch, den Charakter", sagt er. Inspiration findet er auf Spaziergängen, in der Natur, aber auch unter Menschen, auf der Straße. "Schauspielerei hat viel mit Beobachten zu tun, es ist wichtig, mit offenen Augen durch das Leben zu gehen, neugierig zu sein." Um sich in eine Figur hineinzuversetzen, brauche er "manchmal nur eine Unterhose". Ein Kleidungsstück, um die Rolle zu verinnerlichen. "Dann wieder wühlt man tage- und nächtelang, bis irgendwann endlich das richtige Gefühl da ist." Er liest und fühlt und erneuert sich ständig. Stehen bleiben, das wäre für Ludwig Trepte wohl der Anfang vom Ende.

Wir gehen die Liselotte-Herrmann-Straße entlang in Richtung Friedrichshain. Er halte es mit Sokrates, sagt er: "Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden." Dabei ist dieser 19-Jährige, der viel älter wirkt als Altersgenossen, schon so vieles: Ausgezeichnet mit der Goldenen Kamera als bester Nachwuchsschauspieler, Adolf-Grimme-Preisträger (für "Guten Morgen, Herr Grothe"), Max-Ophüls-Preisträger (für seine Rolle in "Keller - Teenage Wasteland"). Trotzdem: Bloß nicht ausruhen. "Ausruhen heißt stehen bleiben", sagt er. Ludwig Trepte will lernen, und zwar von den Besten.

Mit Henry Hübchen drehte er ("ein unglaublich präziser Perfektionist"), mit Ulrich Mühe ("der pausenlos gearbeitet hat"), mit Götz George ("sehr introvertiert, sehr zurückgezogen, immer perfekt vorbereitet"). Und von allen nahm er etwas mit, lernte von ihnen. Die Leidenschaft, die Intensität, die Unermüdlichkeit - das alles steckt in ihm. Bei der Arbeit findet er Gleichgesinnte.

In einem der vielen Interviews kurz nach der Verleihung der Goldenen Kamera sagte er, die Anfragen von Journalisten würden mehr, doch an Rollenangeboten käme "genauso viel Mist wie vorher". Ja, der Mist, sagt er nun und überlegt lange, die inzwischen vierte Zigarette im Mundwinkel, mit "Mist" habe er Dinge gemeint, die ihn nicht weiterbringen - "momentan". "Ich bin natürlich gerade in einer Situation, in der ich zeigen muss, warum ich diese Auszeichnungen bekommen habe", sagt er und raucht. "Auch mir selbst."

Das Problem seiner Branche sei, sagt er, dass es "unglaublich viele Schauspieler und wenig gute Rollen" gebe. "Das muss schon ein großer Traum sein." Der Traum von Ludwig Trepte, ein guter Schauspieler zu sein, ist groß. Groß genug, um das alles, den Konkurrenzdruck, den Neid, die Kritik, auszuhalten. Sich weiterzuentwickeln. Nie stehen zu bleiben.

Entlang der Westseite des Parks spazieren wir in Richtung St. Bartholomäus-Kirche die Straße Am Friedrichshain herunter. Ludwig Trepte fingert die fünfte Zigarette aus der Schachtel. Hier, zwischen Häuserfronten auf der einen und Bäumen auf der anderen Seite, weht der Wind besonders stark. Die Glut frisst sich durch das Zigarettenpapier. Ludwig Trepte raucht in kurzen Zügen. "Ich bin auf der Suche nach dem, was ich wirklich will", sagt er plötzlich. "Ich meine, was mich treibt, wer ich bin", sagt er und holt gleich die nächste Zigarette hervor. "Ich gerate immer wieder ins Strudeln."

Er meint nicht so ein gefährliches, lebensbedrohendes Strudeln. Es könne auch etwas Gutes sein, sich neu zu entdecken, sich neu zu erfinden. Findet er. "Das ist wichtig für diesen Beruf." Halt in diesem ewigen Strudel gebe ihm die Liebe. Auch so ein Thema.

Intensiv lebt er auch sie. Während der Dreharbeiten zum Film "Ein Teil von mir", in dem er mit Karoline Teska ein jugendliches Paar spielte, verliebten sich die beiden Hauptdarsteller ineinander. Er sagt: "Karoline ist die Liebe meines Lebens." Eine junge Schauspielerin, die privat niemandem etwas vorspiele. Er überlegt kurz, "sie ist wahrhaftig", sagt er dann.

Die beiden wohnen in einer Altbauwohnung ganz in der Nähe, im Kollwitzkiez. "Liebe ist plötzlich da", sagt Ludwig Trepte, seine dunklen Augen strahlen. "Sie trifft einen, wenn man sie nicht erwartet, und dann ist es wie eine Explosion." Und man selbst, mittendrin, könne nichts mehr dagegen tun. Liebe eben, unausweichlich.

(lokale Kopie; Welt am Sonntag)

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein einfühlsamer Schauspieler,mit beeindruckender Ausstrahlung. Möge er im Alltag der Schauspielerei nicht untergehen, nicht seine Natürlichkeit einbüßen. Er erinnert mich stark an den jungen Henry Hübchen.
Den heut ausgestrahlten Film:"Ihr könnt euch niemals sicher sein" haben wir mit meinem Mann sehr kontrovers diskutiert. Die Rolle des Olli gibt Anlass zu intensiverem Nachdenken über die heutige Jugend. Bei allen Wiedrigkeiten im Schulalltag sollte etwas Einfühlsamkeit versucht werden- gewiß nicht bei allen schwarzen Schafen sinnvoll. Ist es nicht die Aufgabe der Pädagogen den Schülern behilflich zu sein bei ihrer Identitätsfindung? Es sind zu wenige Lehrer für zu viele Schüler- eines der Grundübel. Wenn Geld für die "Rettung der Banken" da ist, warum nicht für die "Rettung únserer Jugend"?
P.S. Er sollte weniger rauchen,um nicht an Lungen-Ca zu sterben.

Anonym hat gesagt…

Ein toller Schauspieler, der meiner Meinung nach, vom Publikum noch zu wenige gesehen wird. Was aber daran liegt, dass Ludwig Trepte nicht in Komödien zu sehen ist, sondern in Filmen die Tiefer gehen. Die ernstern Hintergrund haben und mehr zum Nachdenken anregen.
Ich finde gut, dass er in solchen Filmen mitspielt und sich nicht davon abbringen lässt, dass diese Filme oft kein Riesenpublikum ansprechen.
Meiner Meinung nach ist er einer der talentiertesten Nachwuchsschauspieler Deutschlands (genau wie Dinda). Seine Freundin finde ich aber weit weniger talentiert und auch nicht sehr einprägsam. Man erkennt sie nicht wieder, hat keinen Bezug zu ihrem Gesicht, wenn man einen Film mit ihr sieht.Und das sollte ja bei guten Schauspielern so sein.
PS:Ich denke auch, das Ludwig Trepte das Rauchen etwas einstellen sollte...

Anonym hat gesagt…

Finde ich nicht. ich finde karoline ebenso talentiert und erkenne sie wieder, weil sie das gewisse etwas hat. raucht er so viel?

Anonym hat gesagt…

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Anonym hat gesagt…

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ChantalDuvall hat gesagt…

Hallo
Danke für Eure Informationen über Ludwig Trepte.Er wohnte früher in der gleichen Strasse wie meine Tante Gerda Mattern,die 1987 gestorben ist: Berlin,Pasteurstr.45.
Wir Anderen wohnten alle im Westen in NRW.
Ludwig Trepte sah ich zum ersten Mal in einem Tatort,da war er vielleicht 10 oder 11 Jahre alt und
er hat mich damals schon sehr beeindruckt.Meiner Meinung nach ist
" Ihr könnt euch niemals sicher sein" der beste Film,den er gedreht hat.

Chantal Duvall