Französisch ist eine tolle Sprache und ich wollte sie lernen. In der DDR gab es das Fach nur fakultativ. Die gab es seit fünf Jahren nicht mehr. Ich ging zur Volkshochschule und lernte bei einer richtigen Französin. Das war toll. Die meisten Leute im Kurs waren doppelt so alt wie ich. Eine war selbst Lehrerin, allerdings für Chemie. Sie war immer ganz lustig und gut gelaunt. In den Pausen erzählte sie viel, wie schön es in Frankreich ist, wie toll, daß Reisen jetzt so normal geworden sei.
Zur gleichen Zeit lernte ich Uwe kennen. Wir wurden Freunde. Oft sprachen wir über unsere Erfahrungen mit der Volksbildung der DDR, unsere Schulzeit vor und nach der Wende. Er erzählte von einer Chemie-Lehrerin, die ihn beauftragte, Rechenschaftsberichte über andere Schüler zu schreiben. Ein Name fiel. Ich hakte nach, wollte es genauer wissen. Die Beschreibung passte. Kein Zweifel. Die frankophile Plaudertasche aus meinem VHS-Kurs hatte, wenn das stimmte, einige Jahre zuvor versucht, ihn über seine Mitschüler auszulauschen.
Wer hat sie gezwungen? Hat sie jemand gezwungen? Ist das alles so schlimm? Schließlich waren es doch noch Kinder. Was sollten die schon zu verbergen haben?
War das pädagogische Praxis unter Margot Honecker? Keine Ahnung. Ich werde es nicht mehr erfahren. Die Menschen haben ihr Weltbild zurechtgerückt und sich neu angepasst. Vor sich selbst und vor irgendwelchen Gesetzen sind sie frei von Schuld.
Sie haben keine Mauerflüchtlinge erschossen, keine volkseigenen Betriebe ruiniert und waren nicht alle bei der Stasi.
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