Mittwoch, September 01, 2010

Kann sich noch jemand an den Senatsrockwettbewerb erinnern?



Was ganz ambitioniert in den späten Siebzigern entstand, steckte 1991 in der Krise. Der Senatsrockwettbewerb war altbacken und hatte ausgedient. Ein neues Konzept musste her. Seit 1992 gab es alternativ dazu Metrobeat. Davon redet heute aber auch keiner mehr. Überhaupt sowas wie senatseigene Tonstudios sind doch Geschichten, die heute gar nicht mehr war sind. Das Berliner Rock & Pop Archiv verfügt noch über alle Demotapes Berliner Bands, die zwischen 1980 und 1988 bei der Jury eingetrudelt sind. Eine Liste der Gruppen findet man hier.

Ich habe mal einen Auszug aus der Schriftenreihe des
Forschungszentrums Populäre Musik der Humboldt-Universität vorgekramt. Den findet man vollständig in Den PopScriptum 6 - Rockmusik in der Politik und hier.


Bereits 1979 wurde in Berlin die Notwendigkeit der Förderung von Rockmusik erkannt. Unter dem Motto "Kultur für alle" ging es darum, auch andere als die traditionellen kulturellen Bereiche zu fördern. Dabei erfolgte von Anfang an die Zuordnung der Rock- und Popmusik zur Förderung "freier Gruppenarbeit".

Begonnen wurde 1979 mit einem Etat von ca. 300.000 DM für die Rockmusikförderung. Heute ist die Rockmusikförderung im Referat Kunst- und KünstlerInnenförderung der Kulturverwaltung in der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur angesiedelt.

Neben der unmittelbaren Kunst- und KünstlerInnenförderung, deren finanzielle Mittel ausschließlich disponible Mittel sind, also keine institutionelle Förderung enthalten, gibt es weitere Förderungen, die mittelbar auch die Entwicklung der Rockmusik unterstützen.

Neben der wichtigen institutionellen Förderung von Kultur- und Veranstaltungszentren ist vor allem die Förderung von Rockmusik durch die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport zu nennen.

Im Unterschied zur Berliner Kulturverwaltung, die Rockmusik als Kunst, als kulturelles Phänomen betrachtet, setzt die Jugendverwaltung Rockmusik als präventives Mittel der Jugendarbeit ein. Seit Anfang der 80er Jahre wird ein Rockmobil gefördert. Inzwischen hat die Jugendverwaltung eigene infrastrukturelle Vorhaben realisiert, betreibt ein Studio (Feedback Studio) und zahlreiche Proberäume in Jugendfreizeitstätten.

Zur Zielgruppe gehören hier die Amateure im Jugendbereich und Hobbymusiker. Ziel ist die Sozialisierung der Jugend mit Programmen wie "Jugend mit Zukunft" und "Jugend ohne Drogen".

Die Kunst- und KünstlerInnenförderung unterstützt professionelle und semiprofessionelle Künstler. Für die Förderung selbst, die Entscheidung über Anträge und Schwerpunkte der zukünftigen Förderung gibt es keine schriftlich fixierte Richtlinie. Diese wird flexibel in Zusammenarbeit mit einem Beirat für Rockmusik bestimmt, der aus der Jury des ehemaligen, bis 1991 bestehenden, Senatsrockwettbewerbes entwickelt wurde und seit 1992 existiert.

Der Beirat, der sich aus Musikern, Veranstaltern und Journalisten zusammensetzt, trifft seine Entscheidungen über Annahme und Ablehnung von Förderanträgen und Entwicklungslinien der Förderarbeit selbständig. Die Kulturverwaltung setzt die empfehlenden Charakter besitzenden Beschlüsse des Beirates um und sichert die ordnungsgemäße und rechtlich korrekte Arbeit des Beirates.

Anträge auf Förderung werden direkt an die Senatsverwaltung gestellt, eine Zwischenebene existiert nicht. Nach verwaltungstechnischer Vorprüfung werden die Anträge an den Beirat zur Entscheidung weitergeleitet. Mit der Arbeit des Beirates kann der Sachverstand der zahlreichen Fachleute unmittelbar in die Verwaltungsentscheidungen einbezogen werden und ist mit dieser Funktion nicht nur punktueller Ansprechpartner der Verwaltung, sondern kontinuierlich mit der Entwicklung und Förderung der Rockmusik der Stadt verbunden.

Ziel der Förderung ist es u.a. dabei, Musikern Hilfe zur Selbsthilfe auf dem Weg zur Wirtschaft, zum Plattenvertrag zu geben. Schwerpunkt der Förderung der letzten Jahre ist deshalb folgerichtig die Konzentration auf die Verbesserung der Arbeits- und Auftrittsmöglichkeiten und die Schaffung von Übungsräumen.

Im Rahmen der Klubförderung wurden beträchtliche Mittel in Baumaßnahmen und technische Ausrüstungen von Veranstaltungsorten gesteckt sowie Veranstaltungszuschüsse (für Tontechnik-Anmietung) gezahlt, wenn mit diesen Veranstaltungen auch Berliner Bands promoted wurden.

Förderungen wie die Klubförderung durch Veranstaltungszuschüsse kommen sehr schnell an die Grenze ihrer Möglichkeiten, wenn ansonsten wirtschaftlicher und selbsttragender Veranstaltungsbetrieb gefordert ist. Einzelne geförderte Veranstaltungen führten nicht dazu, daß es zu einer weitergehenden Einbeziehung Berliner Bands durch die Klubs kam. Deshalb wird es diese besondere Form der Bandförderung zukünftig nicht mehr geben.

Der Senatsrockwettbewerb wurde 1991 das letzte Mal durchgeführt. Die Entscheidung gegen die Weiterführung wurde zum damaligen Zeitpunkt von allen Beteiligten, Jury und Musikern, getroffen. Gleichzeitig mit dieser Entscheidung wurde mit Metrobeat 1992 ein jährlich stattfindendes Forum der Berliner Musikszene geschaffen, das den Charakter eines Rock-und Popmusik-Festivals hat. Da das Festival konzeptionell neuen Musikstilistiken offen steht, hat es bei den Musikern der Stadt großen Zuspruch, verspricht es doch viele Kontakte zu den Medien und der Tonträgerindustrie.

Trotzdem ist nach mehreren Jahren der Existenz von Metrobeat zu fragen, ob nicht neue Formen der Unterstützung der Musikszene der Stadt notwendig sind. Mehrheitlich sind sich Beirat und Musiker einig, daß Wettbewerbe mit ihrer traditionellen Struktur und den für die Unterstützung der Musiker nur beschränkt wirksamen Preise nur wenig zur Förderung der Musik beitragen.

Deshalb wird es in absehbarer Zeit keinen neuen Senatsrockwettbewerb geben. Dies ist auch unter dem Aspekt zu betrachten, daß verschiedene Wirtschaftsunternehmen Rock- und Popmusikwettbewerbe als Werbemittel verstärkt nutzen und in ihre Marketingstrategien konsequent eingebaut haben.

Die Berliner Kulturverwaltung konzentriert sich - auch unter dem Aspekt der immer knapper werdenden öffentlichen Mittel - auf die Fragen: Wo existieren Lücken? Wie kann effektiv Musikern und Veranstaltern auf dem Weg zur Professionalität und zur Industrie Hilfe gegeben werden?

Die Tonstudios des Senats werden professionell betrieben, aber nicht kommerziell geführt. Die Vergabe der Studiotermine erfolgt nach strengen Kriterien und zentral über die Senatsverwaltung. Mit den senatseigenen Tonstudios soll kein Eingriff in den schwierigen Berliner Markt der kleineren und mittleren privaten Tonstudios erfolgen. Bereits Anfang der 80er Jahre wurde wegen des großen Angebots von Tonstudios in Berlin entschieden, keine Förderung von privaten Tonstudios vorzunehmen.

Charakteristisch für Berlin als Land und Kommune in einem ist die in einer Verwaltung vorhandene Einheit der Vorgabe von landesweiten Richtlinien und Entwicklungsperspektiven und der praktischen kommunalen Umsetzung.

Eine Koordination der Kulturarbeit über die Musikschulen hinaus zwischen der Kulturverwaltung des Senats und den Bezirken besteht im wesentlichen nicht. Die finanziellen Ressourcen der Bezirke der Stadt lassen keine eigene Kulturarbeit in der Musik zu. Rock- und Popmusik subsumiert sich in den Bezirken unter Jugendarbeit bzw. Jugendkulturarbeit und unterliegt somit mehr dem jugendpflegerischen Gedanken.

Interessenvertretungen von Musikern sind, das zeigt die Entwicklung der letzten
zehn bis fünfzehn Jahre, in Berlin nicht überlebensfähig. Die Heterogenität und Schnellebigkeit der Musikszene der Stadt hat keinen Bedarf an Interessenvertretungen in Form von Vereinen, Verbänden und Landesarbeitsgemeinschaften, die eigene Strukturen nur über die Jahre konservieren. Von den im Jahr 1990 in Berlin existierenden drei Musikervertretungen hat nur eine überlebt, die allerdings keine Relevanz mehr für die Musikszene der Stadt hat.
Der DRMV hat für Berlin keine Bedeutung.

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