Auf den Schwabenhatz-Artikel in Morgenpost und Welt aus dem Springer-Newsroom ist nun auch das Nachrichtenportal Morgenweb aus der Rhein-Neckar-Region aufgesprungen. Der Artikel von Jens Carsten ist so wenig hintergründig, so quellenarm und lieblos geschrieben wie die Artikel seiner Kolleginnen und Kollegen, die an dieser Stelle bereits besprochen wurden.
Anti-Anti-Schwaben-Plakate aufgetaucht
Auf einem Spaziergang durch das LSD-Viertel sind mir heute neue Plakate aufgefallen, die wahrscheinlich als Gegenaktion zu den letzen Schwabenplakaten gelten sollen. Darauf ist der Text von Nazi-Propagandaplakaten aus den 30ern eins zu eins abgedruckt. Das Wort Jude ist dabei immer durch das Wort Schwabe ersetzt worden. Über dem Text ist eine Collage aus den Wappen Baden-Württembergs und Berlins mit Hirsch und Greif als Wappenhalter und dem Berliner Bären anstelle der drei Stauferlöwen platziert.
Zwei verschiedene Motive habe ich gesehen. Der eine Text ist mit "Die schwäbischen Freimaurer" unterzeichnet und in der ersten Person geschrieben. Der andere Text ist anprangernd in der dritten Person geschrieben und sonst fast identisch.
Ich gewann sofort den Eindruck, dass diese Plakate so wirken sollen, als hätten sie den gleichen Urheber wie die letzte Plakataktion. Wahrscheinlich wollten die InitiatorInnen der neuen Plakataktion "zum Nachdenken anregen" und den vermeintlichen Berliner Schwabenhasses mit den Repressalien und der systematischen Vernichtung der Juden zur NS-Zeit gleichstellen.
Sicher wird es nicht lange dauern, ehe die findige Lokalpresse das Thema erneut aufgreift.
Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie die SupergrafikerInnen zu Hause beim Entwerfen der A3-Poster nach passenden Texten und Motiven gesucht, gegrübelt und gefeixt haben und sich dabei ausgemalt haben, wie verschieden die Leute auf ihre Aktion reagieren.
"Schwabenplakate" sind in P-Berg nichts Neues. Bereits in den 90ern klebten plötzlich ringsum den Kollwitzplatz kleine weiße A4-Zettel in der Aufmachung der US-Alliierten-Schilder an der Grenze zwischen Ost- und Westberlin mit der Aufschrift: "You are now entering the Schwabisch Zone". In den letzten drei Jahren kamen zur Weihnachtszeit Motive wie Ostberlin sagt Danke und Ostberlin wünscht gute Heimfahrt dazu. Zum letzten Weihnachtsfest hieß es dann Ostberlin wünscht einen guten Appetit.
Die Idee war witzig, ironisch und originell genug, um vom Multiplexkino in der Kulturbrauerei aufgegriffen und ausgeschlachtet zu werden. Das Kino versuchte mit einer Antwortaktion auf die Ostberlin-Plakate auf sich aufmerksam zu machen, stieß dabei aber nicht auf sehr viel Feedback und Interesse. "Alle wieder da? ...Das Ländle haben wir nicht im Angebot. Schwabenpreise schon!", hieß es darauf.
Bleibt zu hoffen, dass diese sinnlose Schwaben-Pseudo-Diskussion endlich ein Ende findet. Berlin, insbesondere Berlin Prenzlauer Berg war immer und bleibt auch offen für Menschen aus allen Ecken und Enden der Welt, die das kulturelle Leben vor Ort bereichern und den Bezirk damit zu dem machen, was er ist.
Fotos der Plakate findet man auf dem etwas antideutsch angehauchten Bad-Blog, das aber freundlicherweise meine Musikvideos verlinkt hat. Vielen Dank!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen