Guckt man sich eine Berlin-Karte aus dem Jahr 1860 an, findet man da wo heute Prenzlauer Berg nicht mehr steht (sondern Pankow), nur drei oder vier Wege, zwei, drei Friedhöfe, ein paar Felder und das war es schon. Zur Jahrhundertwende explodierte die Gegend dann. Entlang der neuen Alleen entstanden neue Protzbauten, in den Verbindungsstraßen Mietskasernen. Die Gründerzeit machte in erster Linie gestandene Handwerker aus dem Mittelstand zu Grundbesitzern. Wie flexibel die Bauweise dieser Häuser ist, merkt man bis zum heutigen Tage. Neue Wohnungs- und Raumaufteilung und Anpassung an neue soziale Begebenheiten sind relativ leicht und kostenarm umsetzbar.
Die Architekten Bruno Taut und Franz Hillinger waren zu Weimarer Zeiten Vordenker des modernen Wohnungsbaus. In ihrer Wohnstadt Carl Legien waren die Wohnungen klein und die Decken niedrig, die Höfe dafür hell und geräumig. Das Arbeiterelend der Hinterhöfe konnten sie damit jedoch nicht verbannen. In die Taut-Bauten zogen in erster Linie Angestellte und Beamte. Die Nazis stempelten Bruno Taut als Kulturbolschewisten ab und trieben ihn in die Flucht ins Ausland, imitierten aber für ihre ind den Dreißigern "KdF-Wohnhäuser" zwischen Ringbahn, Greifswalder Straße, Kniprodestr. und Elbinger (Danziger Straße) Grundzüge seines Stils und verliehen ihnen noch einen kasernenmäßigen Touch.
Nach dem zweiten Weltkrieg war Prenzlauer Berg bei weitem nicht so stark zerstört wie andere Stadtbezirke. Nachdem die gröbsten Instandsezungsarbeiten durchgeführt, Dächer wieder gedeckt und Fenster eingesetzt waren, wurden in den Fünfzigern und Sechzigern die ersten schlichten Lückenfüllerbauten hochgezogen, um die massive Wohnungsnot einzudämmen. Beispiele hierfür findet man in der Hanns-Otto-Straße, in der Topsstraße und Gaudystraße, aber auch in der Bötzow- und Greifswalder Straße. Die Bauweise dieser fünfetagigen Mietshäuser unterscheidet sich kaum von den Marshall-Plan-Bauten, die zeitgleich in Westberlin entstanden.
In den Siebzigern entstanden hinterm S-Bahnhof Greifswalder Straße und an der Mollstraße riesige Plattenbausiedlungen. Gleichzeitig wurde die Gegend um den Arnimpaltz zum großen Sanierungsgebiet. Wenn sozialisch wohnen im Altbau, dann so. Viele Details, die den Charme der Gründerzeitbauten dort ausmachten, gingen jedoch bei dieser sehr pragmatischen Umgestaltung verloren.
In den frühen Achtzigern lagen die Abrisspläne für den alten Prenzlauer Berg zwischen Schönhauser Allee und Greifswalder Straße schon in den Schubladen und blieben dort zum Glück auch liegen. Die Erbauung des Ernst-Thälmann-Parks auf dem alten Gaswerkgelände und die Rekonstruktion eines Teilabschnitts der Husemannstraße waren schon viel zu finanzschwere Kraftakte für die DDR, die sich anscheinend nur noch durch Joint Ventures und Westkredite finanzierte.
Im Thälmannpark wollte man Wohnen im Plattenbau mit Wohnen im Grünen verbinden. Mit diesem Konzept wird heute auch wieder geworben. Die gemauerten Eingangsportale der Wohnblöcke sollten an die gelben Klinkerbauten des alten Gaswerks erinnern. Einige Betriebsgebäude wurden als antifaschistisches Traditionskabinett, Künstlerwerkstätten, Kulturhaus und Schulhort umgewidmet.
Die Fassaden der Husemannstraße wurden künstlich auf Alt-Berlin-Ästhetik getrimmt, die Höfe entkernt und begrünt, die Außentoiletten entfernt und die Küchen der Hinterhäuser und Seitenflügel verkleinert. Holzschnitzarbeiten, Stuck, und Wandbemalungen verschwanden aus Wohnräumen und Treppenhäusern.
Nach der Wende verscherbelte die KWV viele ihrer Immobilien für "einen Appel und ein Ei". Luxussanierung und behutsame Stadterneuerung hatte nicht immer viel miteinander zu tun. Der neue Hype der frühen Neunziger: ausgebaute Fabriketagen, Bürobauten in Bombenlücken - in der Hoffnung darauf, dass die neue Olympiastadt und Hauptstadt Berlin ganz viele Unternehmen nach Berlin locken würde.
Das Konzept ging nur für wenige Investoren auf. Noch immer hängen die "Büroräume provisionsfrei zu vermieten" in den Fenstern.
Der nächste Hype, Mitte der Neunziger: Einkaufszentren nach Vorbild der amerikanischen Malls. Ein Blick ins Mühlenbergcenter und die Schönhauser Allee Acarden verrät viel über den wirtschaftlichen Erfolg dieser Immobilien.
Ende der Neunziger - die nächste Welle: Multiplex-Kinos. Kein bahnbrechender Erfolg.
Seit 2000 setzen die Invenstoren auf das Townhaus. Kleinstädtisches Luxusleben mitten in der Metropole und trotzdem im Grünen. Zuerst stellt man einen schicken Zaun mit Werbeschild und einen Info-Container auf. Der steht solange, bis sich genügend Käufer für Eigentumswohnungen gefunden haben. Dann wird gebaut.
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