Sonnenuntergang am Züricher See, Foto: Magdalar, flickr (cc)
Letzte Woche zeigte die SF-Sendung “Reporter” einen Bericht über das Seefeld in Zürich:
Die Yuppisierung eines Quartiers (sf.tv, Video, 27:07 Minuten)
(Mich stört, dass dem SF-Online-Video ein lästiger Programmhinweis in eigener Sache vorgeschaltet ist. Warum das?)
Denkwürdig am durchaus kurzweiligen Film ist das Statement von Schriftsteller und Psychoanalytiker Jürg Acklin (ab 18:47 Minuten), der erklärt, warum er ein offenbar in seinem Familienbesitz befindliches Gebäude im Seefeld für 3.5 Millionen Franken an einen Investor verkauft hat und nicht für 2.5 Millionen Franken an jemandem aus dem Umfeld eines bisherigen Bewohners:
Es sind zwei Seelen in der Brust, ich bin auch immer noch in der … [... sozialdemokratischen Partei der Schweiz?] Ich wechsle auch nicht die Partei, weil ich jetzt etwas Geld verdient habe. Ich bin immer noch sozial engagiert und ich glaube: Es ist halt eine kognitive Dissonanz, die man hat, dass man intellektuell und auch gewissermassen gesamtgesellschaftlich kritisch und durchaus auch, wie soll ich sagen, linksliberal ist, aber im entscheidenden Moment: Ich glaube, ich bin einfach nicht Pestalozzi. [gemeint ist Johann Heinrich Pestalozzi, ein Pädagoge, der im Schweizer Sprachgebrauch als Synonym für besonders soziales Handeln Einzug gehalten hat.]
Diese Statement ist deshalb denkwürdig, weil es in wenigen Sekunden aufzeigt, wie rasch Ideologien zusammenbrechen, wenn es um konkrete Geldbeträge geht. Das ist jetzt kein Vorwurf an Acklins Geschäftssinn – er hat natürlich die Freiheit, zu verkaufen, an wen er will. Doch es zeigt nur zu schön das Auseinanderdriften von angeblichen Haltungen und der konkreten Wirklichkeit auf. Jeder, der ein sozialdemokratisches Herz sein eigen nennt, sollte diese Sekunden sehr genau studieren. Vielleicht kommt er ja auch irgendwann in eine Situation, wo sich dieses Herz in der Realität bewähren könnte.
Oft schimpfen Sozialdemokraten auf herzlose Investoren, die nur an ihrer Rendite interessiert seien und Schuld seien an der Umwandlung ganzer Bezirke. Eigentlich ist der ganze Beitrag eine sogenannt “kritische” Auseinandersetzung mit dem Investor Urs Ledermann (Bericht von 2006 in der NZZ), der im Bericht Unterstellungen über hohe Renditeerwartungen dementiert – eine Sachlage, die für den Zuseher ohne Kenntnisse der Materie nicht einzuschätzen ist. Auch die “Reporter” gehen nicht genauer auf diese Erwartungen ein. Man mag überrissene Renditeerwartungen anprangern, das Spiel geht auch nur so lange gut, wie Mieter bereit sind, irrsinnige Mieten zu bezahlen.
Das Wohl eines Bezirks in der Hand haben hingegen die einzelnen Besitzer, also die potentiellen Verkäufer. Gegen Verkäufer, die an Investoren verkaufen, kann die Politik nichts ausrichten, wie Bloggerin Jacqueline Badran ab 24:55 Minuten korrekt erkennt – und das ist auch richtig so. Es sind die einzelnen Besitzer, die über die Zukunft von Stadtteilen entscheiden. In dem sie verkaufen oder nicht. An wen sie verkaufen und an wen nicht. Ob sie überhaupt verkaufen. Oder ob sie sich irgendwie neu organisieren. Diese Entscheidungen bestimmen zusammengenommen einen guten Teil des Stadtbilds.
Ich glaube: Wer von Investoren erwartet, dass sie nicht nur an die Rendite denken, sondern auch an gesamtgesellschaftliche Prozesse, der sollte das genauso von den Verkäufern erwarten. Vor allem dann, wenn sie “intellektuell und auch gewissermassen gesamtgesellschaftlich kritisch und durchaus auch, wie soll ich sagen, linksliberal” (Jürg Acklin) sind.
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