Montag, Mai 30, 2005

Neuer Song von Jenz Steiner zum Download

Foto: Mareike Günsche

Dieser Sommer wird MAGIC.
Am bisher heissesten Wochenende des Jahres entstand der Song "BERLIN BERLIN". Diesen kann man hier als MP3 downloaden.

Berlin, Berlin (mp3)

Ich brauch kein gottverdammtes deutsches Ordnungsamt, Ich will 'ne Strassenbahn und keine Metrotram. Was muss P-Berg plötzlich Teil von Pankow sein? Was sucht der Görlitzer Park im Friedrichshain? Ich würd auch gern mal wieder richtig baden gehen, doch die Halle ist dicht, nichts da mit Bahnen drehen. Grund genug durchzudrehen, doch es ist wie es ist, Berlin Du bist so scheisse. Berlin Du bist beschissen. Wenn ich heut durch meine Strasse geh, tut mir gleich der Magen weh, wenn ich den Schwabenladen seh. Wo ist die Späte hin? Wo sind die Kumpels hin? In meiner alten Buchte wohnt ein Yuppie-Pärchen drin. Papi hat die ganze Hütte ausgebaut, doch der Schwabenvermieter hat das ganze Haus beklaut. Tags im Hausflur, rausgeruppte Stuckatur, Videoüberwachung, neue Sicherheitsstruktur. Berlin Berlin Du bist Scheisse, aber trotzdem ganz schön geil.

Komm nach Berlin um Dich auszuleben, Berlin, die Stadt mit Klubszene und Nachtleben. Das Künstlereldorado mit Radio Paradieso.An jeder Ecke trifft man Stars, natürlich alle "incognito". Brachland, alte Fabriken, leerstehende Läden, an jeder Ecke Streetart, Hundekacke auf den Wegen. Das ist das passende Millieu für Dich, Du sprudelst vor Ideen. Es gibt nur eine Stadt für Dich und das ist Spree-Athen. Dein Haus ist frisch saniert, die Lieblingsbar ein bisschen ranzig, Du gehst in Klub, bist Mitte zwanzig, aber Du tanzt nicht.

Titel: Berlin, Berlin (2.00)
Musikanten: Svennie der Reifenwechsler, DJ Cutterlysator, Max
Text: Jenz Steiner
Format: MP3

Powered by Blogger

Freitag, Mai 27, 2005

Keine zweite Perestroika für Usbekistan

Kommentar: Die Nachfolgerepubliken der Sowjetunion erleben zur Zeit ihre zweite Perestroika. Diesmal ohne Glasnost und ohne Gorbatschow. Die Ereignisse in Usbekistan in den letzten Tagen und Wochen stellen alles in den Schatten, was 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in China geschah. Das Interesse der Weltöffentlichkeit ist jedoch um ein Vielfaches kleiner. Wenig war am 13. Mai 2004 zu hören von der Erstürmung eines Gefängnisses in der viertgrößten usbekischen Stadt Andischan, von den 500-700 Toten, die in einer hermetisch abgeriegelten Schule gelagert wurden, von den 4000 Flüchtlingen, die sich nach Dschalal-Abad und Kirgistan aufmachten.

Investigativer Journalismus, nein Danke

Enthüllungen über rechtsextreme Machenschaften, Hintergründe zu Wirtschaftsskandalen und Geschichten über Menschen, die sonst keine Stimme haben, sind jetzt schon rar und werden in Zukunft keinen Platz mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben.
Sämtliche politischen Magazine der ARD sollen gekürzt werden. Information, Unterhaltung, Bildung, Minderheitenabdeckung, Kritik und Kontrolle, waren die Aufgaben, die die ARD seit ihrer Gründung erfüllen wollte. Ihr altes Profil kann die ARD nach dieser Reduktion nicht mehr aufrecht erhalten.

Am 23. Mai beschlossen die Programmdirektoren der ARD-Anstalten Kürzung der politischen Magazine Panorama, Monitor, Report Mainz, Report Muenchen, Kontraste und Fakt um 15 Minuten ab Januar 2006. Dieser Schlag gegen halbwegs kritischen Hintergrund-Journalismus geht nicht von Vertretern einer Landesregierung oder Gremien auf Bundesebene aus, sondern von der Anstalt selbst. Der Kürzung werden jährlich 20 Sendestunden und mindestens 200 gründlich recherchierte Hintergrund-Beiträge zum Opfer fallen. Damit trennt sich die Anstalt des öffentlichen Rechts nicht nur vom "Tafelsilber", sondern auch von journalistischen Markenprodukten, die im privaten TV-Betrieb keinen Platz finden.

Eine Förderung des kritischen journalistischen Nachwuchses wird nicht mehr erfolgen können, da die journalistischen Talentschmieden bald nicht mehr existent sind. Vielleicht ist diese Entwicklung auch eine Chance und Herausforderung für unabhängige und freie Medienprojekte wie Indymedia.

Donnerstag, Mai 12, 2005

Review: Awol One - Rebirth

Eigentlich mochte ich Awol One immer sehr. Das war kein Standard-Rap. Das fiel aus der Rolle. Rebirth, nun also die Wiedergeburt des Awol One, nicht in einer anderen Haut, sondern ganz ohne Haut, nur Muskeln und Knochen. So präsentiert er sich auf dem Cover. So klingt auch ein großer Teil des Albums. Jeder Track beginnt ganz interessant. Die bluesigen Pausen und Lücken bei Awol Ones Rap sollen wahrscheinlich seinen unverwechselbaren Style unterstreichen. Ich fühle mich aber beim Hören hängen gelassen und nach ein paar Liedern von den halbherzigen Aufnahmen genervt. Natürlich freue ich mich, wenn er Noam Chamsky und KRS One erwähnt. Die restliche Message kommt nicht bei mir an. Rebirth ist keines von den Alben, in die man sich erst reinhören muss. Eher ist es eines von denen, die man durchskippt, weglegt und nie wieder in die Hand nimmt. Zwei bis drei Tracks sind es jedoch wert, laut im Klub gespielt zu werden, jedoch eher im Chill Out Bereich.
**
Martin Pohle und Jenz Steiner

Review: Pete Philly and Perquisite - Mind.State

Es braucht nur ein Klavier, eine Stimme und ein bisschen Bass, ich dreh ein Stückchen lauter und es entwickelt sich was. Diesem Motto folgt das Album „Mind.State“ von Rapper Pete Philly und Produzent Perquisit. Jeder Track steht für einen anderen Gemütszustand und schafft eine neue Atmosphäre. Das Debut der beiden Niederländer ist aufwendig und liebevoll produziert. Pete Philly hinterlässt anfangs einen guten Eindruck, verstellt dafür aber zu oft seine Stimme, um cooler zu klingen. Funky, soulig und warm klingen die siebzehn Tracks der Platte. Gefühlvolle, melodiöse Jazz-Beats bekommen gelegentlich einen housigen Touch. Sie sind abwechslungsreich und durchdacht. Die Grenzen zwischen Rap und Gesang verschwimmen. Pete Philly und Perqisit haben sich für dieses Konzept-Album 18 Monate Zeit gelassen, um so jedem Fehler vorzubeugen. Sie machen keine Fehler. Jedoch lassen sich Gefühle sich nicht bis ins Detail ausproduzieren. Es ist irgendwie zu glatt. Trotzdem ist „Mind.State“ ein sehr rundes und harmonisches Album mit vielen guten Songs und einem Talib Kweli Feature.
****
Martin Pohle und Jenz Steiner

Review: Killah Priest & Black Market Militia

“Let’s start the revolution! Where is Your Heart?�, heißt es in einer Textzeile von Killah Priest. Treffender kann man das Black Market Militia Album nicht charakterisieren. Black Market ist Wu-Tang. Das hört man vom ersten Song an. Warme Soulsamples, die ans Herz gehen, werden von meist zu überladenen, recht kühlen Drumsets überrollt. Die finsteren Texte folgen keinem roten Faden. Sie sind ein Brainstorming zum Zeitgeist und zum Lebensgefühl in den USA. 11. September, Krieg, Kürzungen im Sozialsystem, Einschnitte in Menschen- und Bürgerrechte, fast nur Schwarze in den Gefängnissen als billige Arbeitskräfte. Tränen rollen in offene Särge. Wo soll das alles hinführen? Killah Priest spricht in klaren Bildern, die kitschig erscheinen, es aber nicht sind. Der zweite, etwas ruhigere Teil lässt das alte Wu-Tang-Gefühl wieder auferstehen. Die Beats sind so strukturiert, dass sie den Raps mehr Freiheiten gewähren. Man hört vierzehn Lieder mit einer souligen Note und wütenden Texten, die trotzdem ein positives Gefühl hinterlassen. Wu-Tang Fans werden an der Black Market LP ihre Freude haben. Den Kult-Charakter der großen Wu-Alben der Neunziger wird sie jedoch nicht erreichen.

Martin Pohle und Jenz Steiner

Dienstag, Mai 10, 2005

Zwischen TrepTOWER und Ehrenmal

Wenn man auf der großen Wiese mitten im Treptower Park steht, sieht man südlich den Kopf des Rotarmisten vom Ehrenmal und nördlich den protzigen Allianz-Tower, der so gar nicht ins Berliner Stadtbild passen will.

Die gesamte russischsprachige Communitiy Berlins pilgerte gestern zum "Djen Pobedy", zum Tag das Sieges nach Treptow. Eine kleine Familie fotografierte sich gegenseitig beim Blumen niederlegen vor der Statue der trauernden Soldatenmutter. Zwei mitzwanziger Russen mit schwarzen Lederjacken, kurzen dunklen Haaren, SU-Flagge und Kassetnik saßen biertrinkend auf einer Bank und pöbelten Passanten an. Ein selbstgemaltes Pappschild am rechten Granitflügel, der als Tor zum Soldatenfriedhof fungiert, erinnerte an Pjotr Petrowitsch, gefallen am 07. Mai 1945 in Genthin. Der Regen hatte die blutrote kyrillische Schrift bereits etwas verwaschen.

In großen Delegationen, kleinen Gruppen und auch allein rückten permanent russischsprachige Menschen ein. Ausgestattet mit Blumensträussen, Fotohandys und Videokameras beschritten sie die Treppen zum Soldaten mit Kind. In die Steinritzes seines weißen Sockels klemmten sie rote Rosen. Sie steckten ihre Köpfe durch das Gitter der verschlossenen Ehrenhalle. Vor den offiziellen Kränzen der ehemaligen Sowjetrepubliken und Polens stapelten sich die Blumen meterhoch. Jemand hatte einen ganzseitigen Zeitungsartikel über das Kriegsende niedergelegt.

Eine Mutter mit dickem Lippenstift und roten Haaren ermahnte ihren Wowa, er solle nicht über die Wiese rennen. Von Trauer oder Gedenken war bei den Besucherinnen un Besuchern der Gedenkstätte nicht viel zu spüren. Ein Hubschrauber einer Filmproduktionsfirma kreiste andauernd über dem Park. Dicke Regenwolken schoben sich vor die Frühlingssonne am Nachmittag des 9. Mai 2005 in Berlin.

Foto des Ehrenmals in Berlin Treptow zu DDR-Zeiten

Montag, Mai 09, 2005

Uwe


Uwe Zels in Frankfurt Oder, April 2005
Foto: Erik Hanjor

40 Jahre Befreiung

„Wandertag“ stand vor zwanzig Jahren in meinem Hausaufgabenheft. Hinter dem Wort hatte ich, wie fast alle meine Mitschüler auch, ein kleines blaues Dreieck gemalt. Das hieß Halstuch umbinden. Ziel unseres Ausflugs war das sowjetische Ehrenmal in Berlin Treptow. Wir alle kannten schon das Bild des Rotarmisten mit dem Kind auf dem Arm, der ein Hakenkreuz zertritt. Wir kannten seine Geschichte und die unseres kleinen Landes, unserer Heimat. Viele Pioniere zogen an diesem Tag durch den Treptower Park.

Vorbei am Hafen der Weißen Flotte und der Archenhold-Sternwarte zogen wir zum großen Tor des Soldatenfriedhofs. Wir wurden kurz belehrt, wie man sich in Gedenkstätten und auf Friedhöfen verhält. Kleine Skulpturen, grüne Wiese, Blumengebinde, riesiege Kränze aus Metall und viel freie Fläche. Bis zum Rotarmisten war es jedoch noch ein langer Weg. Wir liefen und liefen und sahen ihn vor uns stehen. Die Frühlingssonne ließ die weißen Blöcke mit den Stalin-Zitaten in kyrillischer Schrift hell glänzen. Unsere Klassenlehrerin erklärte geduldig, wie uns die Rote Armee vom Hitler-Faschismus befreite. Mal hörten wir interessiert zu, mal hüpften wir lachend über die Soldatengräber, die wir gar nicht als solche wahrnahmen und mussten uns umgehend ermahnen lassen. Ich hatte einen roten Plastik-Stern an meinem Anorak. Den hatte ich wenige Tage zuvor als Auszeichnung beim Appell erhalten. Ich wusste nie so recht wofür, fand aber toll, dass ich einen hatte. Ein paar Monate später tauschte ich ihn gegen irgend ein anderes Spielzeug.

Wir flitzten die lange, steile Treppe zum weißen Sockel des Rotarmisten-Denkmals hinauf. Mich interessierte brennend, was sich hinter dem schwarzen Türchen verbergen würde. Der Zutritt blieb uns aber verwehrt. Wir konnten unsere kleinen Köpfe nur durch das schmale Gitter drücken. Ein paar Kränze, ein Mosaik – mehr gab es nicht zu sehen. Heute, zwanzig Jahre später, werde ich wieder zum Sowjetischen Ehrenmal gehen und mir ansehen, wie die Menschen heute mit diesem Jahrestag umgehen. Den „Tag der Befreiung“ zu vergessen, fiel zu DDR-Zeiten recht schwer, da jeden Mittwoch um 13 Uhr die Sirenen für eine Minute heulten, um daran zu erinnern.

Für Russland endet der Krieg gegen Deutschland erst am neunten Mai, da die Kapitualtionserklärung in Berlin Karlshorst erst einen Tag nach Kriegsende ein zweites Mal unterzeichnet wurde.