Freitag, Mai 02, 2008

Walpurgis-Hintergrundwissen

Walpurgisnacht ist die Nacht der Rituale, der Hexen, des wilden Tanzes. Wenn in Prenzlauer Berg und Friedrichshain zumindest die Grillfeuer angezündet werden, sind auf dem Brocken die Hexen los. Viel Alkohol, ein bisschen Ballermann im Harz. Doch was steckt eigentlich hinter dem Kult?

Unter der Warzennase zischt ihr das Abrakadabra über die Lippen. Der Zauberhut ist lässig abgeknickt und den Besen hält sie fest im Griff, zum Abflug bereit. In der Walpurgisnacht ist der klassische Look für Hexen auf dem Brocken Pflicht, auch heute noch. Der Berg im Harz gilt seit Goethes Faust als Treffpunkt feierlauniger Besenreiterinnen. Allerdings ist aus dem mythischen Fest inzwischen ein Kostümballermann für tausende Partytouristen geworden. Magische Kräfte entfaltet hier nur der Alkohol.

Hexen mit dem Zauberwissen haben im Entertainment ihre Nische gefunden. In den Kinderzimmern, wo Bibi Blocksberg ihre Streiche spielt, oder in TV-Serien: Hier bevölkern sie in "Charmed", "Sabrina" oder "Buffy" die Bildschirme. Oder sie singen im Berliner Friedrichstadtpalast, wo "Hexen" als Revue zu sehen waren. Die Liste ließe sich verlängern. Als Teil der Populärkultur sind Hexen sympathisch geworden, doch an sie glauben – das ist Kräutersud von gestern. Oder auch nicht. Denn es gibt sie noch, die richtigen Hexen oder jedenfalls Menschen, die sich als solche bezeichnen. Dazu gehören auch die Anhänger des Wicca-Glaubens.

Wer sich auf die Suche nach den Anfängen von Wicca und damit nach dem Ursprung des modernen Hexenglaubens macht, landet in Südengland, in der Gegend des New Forest im Jahr 1939. Damals traf Gerald Gardner – Kolonialbeamter, Hobbyethnologe und promovierter Philosoph – auf Old Dorothy, eine Hexe, die behauptete, in der Tradition von jahrhundertealtem Familienwissen zu praktizieren. Gardner wurde in ihren Zirkel aufgenommen und lernte dort die "alte Religion", wie er sie bezeichnete, kennen. Ob die Begegnung tatsächlich stattfand, ist nicht verbürgt. Jedenfalls überlieferte Gardner sie in dieser Form der Nachwelt. Zu dieser Überlieferung gehören auch seine zahlreichen Bücher. Wobei zweifelhaft ist, ob Gardner mit seinen Schriften das Hexenwissen aus der historischen Besenkammer holte, wo es die Christianisierung und die Verfolgungen überdauerte. Wissenschaftler gehen davon aus, dass er verschiedene literarische Vorlagen mit Versatzstücken heidnischer Kulte kombinierte und mit diesem Potpourri den Wicca-Glauben schuf.

Zentraler Punkt in Gardners Wicca sind die Rituale. Sie sind nackt und im Freien abzuhalten, und die wichtigsten können mit dem Beischlaf enden. Mittels der rituellen Magie meinen Hexen, die verborgenen Kräfte der Natur zu lenken. Erlaubt ist dabei nur weiße Magie, die niemandem schadet. Aber auch die Hexenkunst hat Grenzen: "Bevor es die Luftfahrt gab, ist nie eine Hexe geflogen", erklärte Gardner in einem Interview. Den Schutz der Heimat sollte der weiße Zauber allerdings bewerkstelligen. 1940 wurde, wie eine englische Zeitung nach dem Krieg berichtete, in einem großen Ritual ein "nie da gewesener Energiekegel aufgebaut", um Hitlers Plan von der Invasion Englands zu vereiteln.
Nachdem Gardner 1964 starb, verbreiteten seine Schüler den Kult. Im Ursprungsland des Wicca zählt die Bewegung heute mehrere zehntausend Anhänger, in den USA sogar über 100.000 – Tendenz steigend. Und in Deutschland?

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