Um Punkt 8.37 Uhr begann gestern im Gleimviertel das „Kettensägenmassaker im Kiez“. Derart drastisch beschrieb jedenfalls ein um den Stamm einer Traubenkirsche gewickeltes Transparent die Fällaktion des Bezirks Pankow. An der Korsörer Straße sägten Mitarbeiter des Umweltamtes sechs von Wurzelfäule befallene Bäume um: unter wütenden Pfiffen und Protestrufen von etwa 40 Anwohnern und Umweltschützern und abgeschirmt von einem Dutzend Polizisten. Insgesamt lässt der Bezirk in Prenzlauer Berg derzeit 60 kranke und in einem Gutachten als Sicherheitsrisiko eingestufte Traubenkirschen entfernen. Die als Stadtbaum schlecht geeignete, weil empfindliche Sorte war in den 1980er Jahren neben dem Gleimviertel unter anderem auch im Helmholtzkiez gepflanzt worden. Auch dort wird derzeit gefällt.
Anders als vergangenen Herbst, als der Bürgerverein Gleimviertel und Umweltschutzverbände 55 Bäume vorerst retteten, blieb der gestrige Widerstand erfolglos. Dass laut Polizei in der Vornacht die temporären Halteverbotsschilder entfernt und die Bäume deshalb zugeparkt worden waren, bremste das Bezirksamt nicht. Eine Mitarbeiterin kündigte an, im Weg stehende Autos abschleppen zu lassen. Das erwies sich jedoch als weitgehend unnötig, denn bald entstanden auch so zum Fällen ausreichende Parklücken.
Trotz des Rückschlags kämpfen die Aktivisten weiter für die Erhaltung der ihrer Ansicht ungefährlichen Bäume. „In den kommenden Tagen geht es an der Buchholzer Straße und an der Ystader Straße weiter“, so Jacqueline Röber vom Bürgerverein. Immerhin einen Teilerfolg können Baumfreunde feiern: Bisher lehnte der klamme Bezirk Nachpflanzungen ab. Mittlerweile stellte das Land laut Umweltamtsleiter Andreas Schütze 150 000 Euro zweckgebunden bereit, um Prenzlauer Berg wieder zu begrünen.wek
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 22.04.2008)
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